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35. Jahrgang InternetAusgabe 2001
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Deutschland 1979

Der »NATO-Beschluß«
und die Durchsetzung von SALT 2

oder

Wie dem Theater um die »Theaterwaffen« in Europa ein Ende gemacht werden könnte

Memo für die Stiftung Links Europa und die Mitglieder des Europaparlaments (Dezember 1979)

 Die Verantwortlichen in der Stiftung Links Europa und sicherlich auch die Mehrzahl der sozialistischen Abgeordneten aus den Niederlanden, Belgien, Italien und nicht zuletzt der BRD sind sich - wie auch viele andere besorgte Abgeordnete aus den anderen Fraktionen im Europa-Parlament - darüber einig, daß der für den 12. bis 13. Dezember anstehende »NATO-Beschluß« um jeden Preis verhindert werden muß; auch dann, wenn Verhandlungen über die Reduzierung eurostrategischer Kernwaffen in der unmittelbar folgenden Zeit in diesem Beschluß Vorrang eingeräumt würde.
Für jeden Sozialisten, der in irgendeinem nationalen oder dem Europäischen Parlament sich ernsthaft vorgenommen hat, jenen unseligen Beschluß durch welche Maßnahmen auch immer vorzeitig zu verhindern, muß es dringlichst zum Gegenstand sorgfältigen und gründlichen Nachdenkens werden, wie denn zum Beispiel im Europäischen Parlament eine Mehrheit für eine eindeutige Resolution gegen den »Beschluß« gefunden werden kann.
Wenn sich beispielsweise die Sozialistische Fraktion dies zum Ziel setzen würde, (und zwar noch zeitig vor dem SPD-Parteitag im Dezember in Berlin), dann könnte sie für das Europäische Parlament und seine Bedeutung für die Zukunft Europas den Anfang einer geschichtlichen Stunde einläuten. Keine andere Entscheidung ist für die Alternative: Fortsetzung der Entspannungspolitik oder die Grundlegung der Dynamik hin zum Dritten Weltkrieg und damit zum Selbstmord Europas wichtiger als der bevorstehende Beschluß der NATO-Regierungsvertreter.

 Doch: es muß hinzugefügt werden - nicht wegen der Tatsache, daß Westeuropa hiermit beschließen würde, sich von den Vereinigten Staaten in einer Weise beweffnen zu lassen, daB die sogenannten »Theatre Nuclear Forces« zu einer strategischen Bedrohung für die Sowjetunion würden, sondern aufgrund der Tatsache, daß ein derartiger Beschluß der NATO einen mit Hilfe der übrigen NATO-Staaten begangenen Bruch des SALT-2-Vertrages seitens der Vereinigten Staaten bedeuten würde, noch bevor der Vertrag zu SALT 2 vorn Kongreß der Vereinigten Staaten ratifiziert worden ist!
Dies gilt es zu wiederholen: Die Vereinigten Staaten von Amerika brechen im Rahmen des NATO-Bündnisses, dessen Entscheidungen in keinerlei Hinsicht von den Bestimmungen des Vertrages zu SALT 2 erfaßt werden, einen Vertrag und ein dazu gehöriges Protokoll, unter die der amerikanische Präsident am 18. Juni gemeinsam mit dem Vorsitzenden des Präsidiums des Obersten Sowjet der UdSSR seine Unterschrift gesetzt hat.

 Auf diesen Sachverhalt hat bisher meines Wissens noch niemand in der Öffentlichkeit hingewiesen. Er mutet auch zunächst nur wie eine Hypothese an. Er läßt sich auch aus der Äußerung Leonid Breschnews nicht herauslesen, daß man, »...was Europa anbetrifft, hier beabsichtige, unter das Gebäude des Friedens in sein Fundament selbst, eine Mine zu legen«.
Wenn das bisher angefügte auch nur wie eine Hypothese anmuten mag, zumal in der Öffentlichkeit niemand auf derartige Annahmen auch nur einen Hinweis gegeben hat, so will ich die Hypothese sogleich nach durch eine zweite greller beleuchten:

Diejenigen, die die Planungen der NATO ganz so wie die amerikanische internationale Politik steuern, brauchen diesen Beschluß der NATO-Regierungen, um sich der Pflicht zu entheben, für die Ratifizierung von SATL 2 durch den amerikanischen Kongreß die unentbehrliche politisch-militärische Überzeugunsarbeit zu leisten. Mehr noch: Angesichts der gegenwärtigen Mehrheitsverhältnisse und der von verschiedenen Seiten betriebenen Verzögerungen beim Vorgang der Ratifizierung kann es, wenn die militärischen Entscheidungen in der NATO bereits getroffen worden sind, bis lange nach den Präsidentschaftswahlen dauern, bevor SALT 2 ratifiziert wird! Bis dahin ist aber nach der amerikanischen Verfassung der Vertrag zu SALT 2 für die Vereinigten Staaten nicht gültig!

 Ich will versuchen, diese beiden Behauptungen im folgenden zu belegen. Eine dritte Behauptung hingegen wird sich anhand der Belege als evident und zutreffend herausstellen:
Die für die strategische Planung der NATO zuständigen anglo-amerikanischen Institutionen (Royal Institute for International Affairs, Institute for Strategic Studies, Council on Foreign Relations, Trilaterale Kommission, Nukleare Planungsgruppe der NATO) wollen die Ratifizierung nicht nur hinausschieben, sondern mit einer nuklearstrategischen Zielplanung im Rahmen der NATO unterlaufen und damit gegenstandslos machen.
Freilich bedarf es dazu bestimmter wichtiger Veränderungen des Kräfteverhältnisses in den Vereinigten Staaten selber, es bedarf dazu aber auch bestimmter ausschlaggebender politisch-militärischer Weichenstellungen in Europa und im Westen insgesamt.
Es genügt daher nicht, die bevorstehenden Entscheidungen im Rahmen der NATO-Organisation zu betrachten und zu bewerten - oder gar sie nur aus dem Blickwinkel der betroffenen nicht-nuklearen Staaten zu sehen -, sondern sie müssen bewertet werden unter den Voraussetzungen, die durch ein Scheitern von SALT 2 für den ganzen Westen ( einschließlich der USA und die gesamte Welt entstehen würden.

 Worum es geht, hat Mountbatten, noch bevor die Verhandlungen über SALT 2 zum Abschluß gekommen waren, unmißverständlich klar gemacht:

»It was not long, however, before smaller nuclear weapons of various designs were produced and deployed for use in what was assumed to be a tactical ar theatre war. The belief was that were hostilities ever to break out in Western Europe, such weapons could be used in field warfare without triggering (!) an all-out nuclear exchange leading to the final holocaust.
I have never found this idea credible. I have never been able to accept the reasons for the belief that any class of nuclear weapons can be categorised in terms of their tactical or strategic purposes.
I am not asserting this without having deeply thaught about the matter. When I was Chief of the British Defence Staff I made my views known. l have heard the arguments against this view but I have never found them convincing. So I repeat in all sincerity as a military man I can see no use for any nuclear weapons which would not end in escalation, with consequences that no one can conceive.
(. . .)
To begin with we are most likely to preserve the peace if there is a military balance of strength between East and West. The real need is for both sides to replace the attempts to maintain a balance through ever-increasing and ever mode costly nuclear armaments by a balance based on mutual restraint. Better still, by reduction of nuclear armaments I believe it should be possible to achieve greater security at a lower level of military confrontation.
I regret enormously the delays which the Americans and Russians have experienced in reaching a SALT II agreement for the limitation of even one major class of nuclear weapons with which it deals. I regret even more the fact that opposition to reaching any agreement which will bring about a restraint in the production und deployment of nuclear weapons is becoming so powerful in the United States. What can their motives be?«

  

 Soweit die wichtigsten Äußerungen Mountbattens zum Thema taktischer (»Theatre Nuclear Forces«) und zum Thema SALT 2. Diese Äußerungen machte er im Mai des Jahres, sicher noch unter dem nachhaltigen Eindruck, wie nahe die Welt im Frühjahr dem Ausbruch eines Dritten Weltkriegs gestanden hatte, als die chinesische Volksarmee ihre »Strafaktion« gegen Vietnam durchführte und sich der chinesische Premierrninister zuvor in den Vereinigten Staaten für diesen Angriff die stillschweigende Billigung geholt hatte.
Am 10. Juni unterzeichneten Carter und Breschnew endlich den Vertrag. Es kann davon ausgegangen werden, daß die wichtigsten Bestimmungen über Begrenzung strategischer Waffen bei denen, die sich mit dem Gegenstand vertraut gemacht haben, bekannt sind.
Weit weniger bekannt als die technischen Ausmaße der ausgehandelten Rüstungsbegrenzungen sind die allgemeinen Formen der Vertragserfüllung und die völkerrechtlich verbindlichen Bedingungen, unter denen der Vertrag wirksam werden soll.
Um diese allgemeinen Rahmenbedingungen ins Gedächtnis zu rufen, seien einige Abschnitte aus dem Vertrag zitiert:

 
Artikel I
Jede Vertragspartei verpflichtet sich in Einklang mit diesem Vertrag, strategische offensive Waffen quantitativ und qualitativ zu begrenzen, bei der Entwicklung neuer Typen strategischer offensiver Waffen Zurückhaltung zu üben und  sonstige in diesen Vertrag vorgesehene Maßnahmen zu ergreifen.

Artikel II

Für die Zwecke dieses Vertrages gilt folgendes:

8. Marschflugkörper (»Cruise Missiles«) sind unbemannte, mit eigenem Antrieb ausgestattete, gelenkte Trägermittel für den Waffeneinsatz, die ihren Flug auf dem größten Teil ihres Flugweges durch Nutzung des aerodynamischen Auftriebs zurücklegen und die von Luftfahrzeugen aus im Flug erprobt oder in Luftfahrzeugen disloziert werden, d.h. luftgestützte Marschflugkörper (ACLM), oder Träger dieser Art, die in Artikel IX Absatz 1 Buchstabe b als Marschflugkörper bezeichnet werden.

Zu Artikel II Absatz 8 des Vertrages
Fünfte Absprache

Keine Vertragspartei plant während der Laufzeit des Vertrags, unbemannte, gelenkte Träger ohne Pilot mit einer Reichweite von mehr als 600 Kilorneter von Luftfahrzeugen aus im Flug zu erproben oder zu dislozieren. Sollte eine Vertragspartei solche Pläne haben, so unterrrichtet sie künftig die andere Vertragspartei davon rechtzeitig vor einer derartigen Erprobung im Flug oder einer derartigen Dislozierung. Diese Absprache findet keine Anwendung auf Zieldrohnen.

Artikel IV

(14) Jede Vertragspartei verpflichtet sich, auf schweren Bombern, die für Marschflugkörper mit einer Reichweite von mehr als 600 Kilometer ausgerüstet sind, zu keiner Zeit eine Anzahl solcher Marschflukörper zu dislozieren, die das Produkt aus 28 und der Zahl dieser schweren Bomber überschreitet.

 Zu Artikel IV Absatz 14

 Erste Vereinbarte Erklärung

 Für die Zwecke der in Artikel IV Absatz 14 des Vertrags vorgesehenen Begrenzung wird davon ausgegangen, daß auf jedem schweren Bomber eines Typs, der für Marschflugkörper mit einer Reichweite von mehr als 600 Kilometer ausgerüstet ist, die Höchstzahl solcher Flugkörper disloziert ist, für die jeder Bomber dieses Typs für einen Einsatzauftrag ausgerüstet ist.

 Zweite Vereinbarte Erklärung

 Während der Laufzeit des Vertrags wird kein Bomber des Typs B-52 bzw B-1 der Vereinigten Staaten von Amerika und kein Bomber des Typs Tupolew-95 bzw Mjassischtew der UdSSR für mehr als zwanzig Marschflugkörper mit einer Reichweite von mehr als 600 Kilometer ausgerüstet.

Artikel V
(1) Jede Vertragspartei verpflichtet sich, im Rahmen der in Artikel III Absätze 1 und 2 vorgesehenen Gesamtzahlen die Gesamtzahl der Abschußvorrrichtungen für mit MIRV ausgerüstete ICBM und SLBM, der mit MIRV ausgerüsteten ASBM und der für Marschflugkörper mit einer Reichweite von mahr als 600 Kilometer ausgerüsteten schweren Bomber auf 1320 zu begrenzen.

Artikel VIII
(1) Jede Vertragspartei verpflichtet sich, Marschflugkörper mit einer Reichweite von mehr als 600 Kilometer oder ASBM nicht von Luftfahrzeugen aus, die keine Bomber sind, im Flug zu erproben, und solche Luftfahrzeuge nicht zu Luftfahrzeugen umzubauen, die für solche Flugkörper ausgerüstet sind.

Artikel IX
(1) Jede Vertragspartei verpflichtet sich, folgende Systeme nicht zu entwickeln, zu erproben oder zu dislozieren:
a) ballistische Flugkörper mit einer Reichweite von mehr als 600 Kilometer zum Einbau auf Wasserfahrzeugen, die keine U-Boote sind, und Abschußvorrichtungen für solche Flugkörper;
b) ortsfeste Abschußvorrichtungen für ballistische Flugkörper oder Marschflugkörper zur Anbringung auf dem Meeresboden oder auf dem Boden innerer Gewässer und Binnengewässer oder in deren Untergrund und bewegliche Abschußvorrichtungen für solche Flugkörper, die sich nur in Berührung mit dem Meeresboden oder dem Boden innerer Gewässer und Binnengewisser bewegen, sowie Flugkörper für solche Abschußvorrichtungen.

(2) Jede Vertragspartei verpflichtet sich, Marschflugkörper mit einer Reichweite von mehr als 600 Kilometer, die mit mehreren gegen getrennte Ziele einsetzbaren Gefechtsköpfen ausgerüstet sind, nicht von Luftfahrzeugen aus im Flug zu erproben und solche Marschflugkörper nicht auf Luftfahrzeugen zu dislozieren.

Zu Artikel IX Abs. 2
Vereinbarte Erklärung: Gefechtsköpfe eines Marschflugkörpers sind gegen getrennte Ziele einsetzbar, wenn das Manövrieren oder das Ausrichten der Gefechtsköpfe auf getrennte Zielpunkte entlang ballistischer Flugbahnen oder anderer Flugwege, die nicht miteinander verbunden sind, während (!) des Fluges eines Marschflugkörpers erfolgt.

 - -  -

Allgemeine Vorschriften des Vertrags:

Artikel X
Vorbehaltlich dieses Vertrages dürfen strategische offensive Waffen modernisiert und ersetzt werden.

Artikel XII
Um die Lebensfähigkeit und Wirksamkeit dieses Vertrages sicherzustellen, verpflichtet sich jede Vertragspartei, die Bestimmungen dieses Vertrages nicht mittels eines anderen Statutes oder anderer Staaten (!) oder in irgendeiner anderen Weise zu umgehen. (Hervorhebung PGS)

Artikel XIII
Jede Vertragspartei verpflichtet sich, keine internationalen Verpflichtungen zu übernehmen, die im Widerspruch zu diesem Vertrag stehen würden. (Hervorhebung PGS)

Artikel XVIII
Jede Vertragspartei kann Änderungen dieses Vertrags vorschlagen. Die vereinbarten Änderungen treten nach Maßgabe der Verfahren für das Inkrafttreten dieses Vertrags in Kraft.

Artikel XlX
(1) Dieser Vertrag bedarf der Ratifikation nach Maßgabe der verfassungsrechtlichen Verfahren jeder Vertragspartei. Der Vertrag tritt am Tag des Austausches der Ratifikationsurkunden in Kraft; er bleibt bis zum 31. Dezember 1985 in Kraft, sofern er nicht vorher durch ein Abkommen zur weiteren Begrenzung strategischer offensiver Waffen ersetzt wird.
(2) Dieser Vertrag wird nach Artikel 102 der Charta der Vereinten Nationen registriert.
(3) Jede Vertragspartei ist in Ausübung ihrer staatlichen Souveränität berechtigt, von diesem Vertrag zurückzutreten, wenn sie entscheidet, daß durch außergewöhnliche, mit dem Inhalt dieses Vertrags zusammenhängende Ereignisse eine Gefährdung ihrer höchsten Interessen eingetreten ist. Sie teilt ihre Entscheidung der anderen Vertragspartei sechs Monate vor dem Rücktritt vom Vertrag mit. Diese Mitteilung hat eine Darlegung der außergewöhnlichen Ereignisse zu enthalten, durch die nach Ansicht der die Mitteilung machenden Vertragspartei eine Gefährdung ihrer höchsten Interessen eingetreten ist.

- - -

Besonders wichtig für die Beurteilung der Frage, ob die geplante Entscheidung der NATO im Einklang mit den Bestimmungen des Vertrages ist, den der Präsident der Vereinigten Staaten unterzeichnet hat, ist das Protokoll zum Vertrag zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken über die Begrenzung strategischer offensiver Waffen.

Artikel II
(1) Jede Vertragspartei verpflichtet sich, Marschflugkörper mit einer Reichweite von mehr als 600 Kilometer nicht auf seegestützten Abschußvorrichtungen oder auf  landgestützten Abschußvorrichtungen zu dislozieren,
(2) Jede Vertragspartei verpflichtet sich, Marschflugkörper mit einer Reichweite von mehr als 600 Kilometer, die mit mehreren gegen getrennte Ziele einsetzbaren Gefechtsköpfen ausgerüstet sind, nicht von seegestützten Abschußvorrichtungen oder von landgestützten Abschußvorrichtungen aus im Flug zu erproben.
...
Fünfte Absprache: Kein Vertragspartei plant, während der Laufzeit des Protokolls unbewaffnete, gelenkte Träger ohne Pilot mit einer Reichweite von nehr als 600 Kilometer von land- oder seegestützten Abschußvorrichtungen aus im Flug zu erproben oder auf solchen Abschußvorrichtungen zu dislozieren. Sollte eine Vertragspartei solche Pläne haben, so setzt sie die andere Vertragspartei künftig rechtzeitig im voraus von einer solchen Flugerprobung oder Dislozierung in Kenntnis. Diese Absprache findet keine Anwendung auf Zieldrohnen.

Artikel lV
Dieses Protokoll gilt als Bestandteil des Vertrags. Es tritt am Tag des Inkrafttretens des Vertrags in Kraft; es bleibt bis zum 31. Dezember 1981 in Kraft, sofern es nicht vorher durch ein Abkommen über weitere Maßnahmen zur Begrenzung strategischer offensiver Waffen ersetzt wird.

* * *

Bis hierhin die wichtigsten Auszüge aus dem Vertragstext, die rechtlich für den angekündigten »Beschluß« der NATO im Dezember von Belang sind.

 Es versteht sich aus den dort festgehaltenen Bestimmungen von selbst, dass ein Beschluss, wie er unter Druck von seiten der Vereinigten Staaten geplant ist, dann einen Vertragsbruch bedeuten würde, wenn SALT 2 bereits ratifiziert worden wäre!
Soviel ist, denke ich, aus dem bisher Angeführten unschwer ersichtlich. Wer die Einhaltung und Verwirklichung von SALT 2 also verhindern will, muß den »NATO-Beschluß« vor der Ratifizierung heftig befürworten und auf Eile dringen. Genauso konnte man es bisher auch im ECONOMIST, dem wöchentlich erscheinenden »Zentralorgan« für die Entscheidungsträger in RIIA, Council of Foreign Relations, der NATO, aber auch in der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik, seit Monaten zwischen den Zeilen lesen. (Dazu ist eine Aufstellung beigefügt.) Seit letzter Woche ist es aber auch - als Reaktion auf die Ausführungen von Helmut Schmidt in einem Interview, das er dem ECONOMIST auf dessen Ersuchen im Oktober gab, aber auch als Reaktion auf die Rede Breschnews in OstBerlin - eine offene Anweisung für alle die, die das wichtigste Sprachrohr des britischen Geheimdienstes { - denn das ist hier der ECONOMIST -) als richtunggebend für sich betrachten. Es heißt in der Ausgabe vom 10. November dort unmißverständlich:

»The second part of the linkage argument is that a new nuclear negotiation, SALT 3, cannot start until SALT 2 has been ratified and sealed. This is not true either. It is by no means certain that SALT 2 will get to a vote in Washington before the NATO deadline in Brussels. It is even possible that it will never get to a vote at all: The line-up in the American senate now seems to be moving towards a stalemate in which the pro-SALT group does not have enough votes to ratify the treaty, but the anti-SALT senators do not have enough votes to force through amendments that would make it acceptable to them. If SALT 2 does pass the senate, it will do no harm to have started SALT 3 beforehand (!), in the shape of the plan coming up tor decision in Brussels next month. If SALT 2 fails, to have an embryo SALT 3 already under way will limit the damage.«

 (Dies ist der Gipfel an bauernfängerischer Heuchelei: die NATO-Länder sind kraft ihrer Mitgliedschaft im atlantischen Bündnis zwar befugt, über den einen Teil des Beschlusses (nämlich die Anschaffung und Stationierung der neuen Kernwaffen) unter maßgeblicher Führung des SALT-Vertragspartners USA zu entscheiden, sie werden aber nicht an der rechtsverbindlichen Verwirklichung des anderen Beschlusses (nämlich zur Aufnahme von Verhandlungen über die eurostrategischen Waffen, eventuell im Rahmen von SALT 3) beteiligt sein (- außer vielleicht hinsichtlich ihrer politisch-öffentlichen Einflußnahme -), weil sie als Nichtbesitzer von Kernwaffen mit SALT-Verhandlungen gar nicht befaßt sind. Sie können also gar keinen politischen oder gar rechtswirksamen Einfluß auf die Verwirklichung ihres Verhandlungsbeschlusses nehmen!)

They can talk, and talk...

The weapons part of the Brussels plan calls for 484 ground-launched cruise missiles to he based in West Germany, Italy, Britain, Belgium and Holland, and 108 lang-range Pershing missiles in Germany.
The arms control part of the plan proposes an immediate start on negotiations with Russia aimed at setting equal limits on the two sides` Eurostrategic systems. What is not proposed, and would not make sense, is for NATO to cut off action to restore the nuclear balance in Europe while Russia merely talks about possible reductions. Remember how many years the Vienna talks an non-nuclear forces have dragged an without anything actually happening.
This will not satisfy Mr Brezhnev`s one-sided proposal, which is that he will not increase Russia`s lead if NATO promises to do nothing to decrease it. But it should satisfy the warriors in NATO, by making it clear that the alliance is willing to make a serious attempt at cutting the nuclear armouries in Europe, so long as the cutting starts from a basis of equality between the two sides.
SALT 2, both its advocates and its enemies agree (!), should stand on its own. So should NATO`s plan to recreate a balance in Europe. This should be got under way before the Russians tilt the European nuclear scales even further their way, and negotiating them out of their lead becomes even more difficult. Action next month, please.

 SALT 2 soll eine Sache für sich bleiben - damit der Vertrag um so leichter in Vergessenheit geraten kann.
Das aber darf um keinen Preis geschehen: die Abkopplung der Ergebnisse und die Gültigkeit dieses Vertrages von der Militärpolitik der NATO. Es darf dem amerikanischen Präsidenten, der als »verantwortlicher Prasident« sowohl der verantwortliche Unterzeichner des SALT-2-Vertrages als auch der Vertreter der Führungsmacht in der NAT0 ist, nicht erlaubt werden, sich wie Rumpelstilzchan zu zerteilen oder wie ein schizophrener Nachtwandler einen mindestens für ihn und seine Regierung bereits bindenden Vertrag dadurch zu umgehen, daß er in einem anderen Gremium denselben Vertrag wieder bricht. - Und: den westeuropäischen Regierungen, vor allem aber Helmut Schmidt, muß der Weg versperrt werden, wenn er den gefährdeten und nachtwandelnden »verantwortlichen Präsidenten« auf diesem abschüssigen Weg ein Stück Wegs geleiten will, um andere, wichtige Ziele, mit ihm noch vor den Präsidentschaftswahlen zu erreichen. Denn:

Die Europäer begeben sich in eine selbstmörderische Falle, wenn sie nicht umgehend, wo immer das öffentlich möglich ist, erklären, daß die Voraussetzung für die Entscheidung über irgendwelche neuen Vorhaben im Rahmen der NATO die Ratifizierung und damit die Durchführung von SALT 2 sein muß. Durch den kommenden NATO-Beschluß würde der amerikanische Präsident wenn nicht vertrags-, so doch wortbrüchig. Wenn, bei seiner allseits bekannten und beklagten Schwäche dann auch noch die Ratifizierung im Senat scheitern würde, so gäbe es für irgendwelche Abrüstungsverhandlungen, ob im Rahmen von SALT 3 oder parallel zur KSZE-Konferenz in Madrid, von Seiten der Vereinigten Staaten keinerlei Garantie mehr für das, was Politik zur Erhaltung des Friedens bisher bedeutet hat.
In diese Falle dürfen die Europäer nicht tappen - genauso wenig wie die Amerikaner, denn von einem Scheitern des Vertrages sind sie genauso bedroht wie »wir«!

Zur Veranschaulichung der Chronologie der seit der Unterzeichnung von SALT 2 vom ECONOMIST ausgegebenen taktischen Richtlinien, in denen sich sowohl die militärpolitischen Einschätzungen des International Institute of Strategic Studies als auch die strategischen Absichten des Royal Institute for International Affairs unmittelbar niederschlagen, in denen also das geistige Zentrum dessen, was in der Weltgemeinschaft als imperialistische Politik bezeichnet wird, für alle ihm angeschlossenen oder verbundenen Gesellschaften für internationale Politik Analysen und Handlungsanweisungen veröffentlicht, sei hier eine Folge von Editorials aus dem ECONOMIST dokumentiert.
Welches Drehbuch dem »verantwortlichen Präsidenten« Carter auf diesen Seiten empfohlen wird und welches ihm von Leuten wie Kissinger, den Mitgliedern von Council an Foreign Relations und Trilateraler Kommission in der Regierung aufgezwungen wurde und wird, läßt sich daraus in den wichtigsten ( Auf-) Zügen ersehen. Vielleicht erscheint dann die Schlußfolgerung aus meinen drei »Hypothesen« nicht mehr so gewagt wie am Anfang...

 Peter G. Spengler