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35. Jahrgang InternetAusgabe 2001
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Deutschland 1981

  

Verfrühte Diagnosen oder

die Mißverständnisse des Dr. Robert Held

von David Hartstein

(Studien von Zeitfragen Jahrbuch, Beiheft Mai 1981)

 Im fernen Japan, wohin er gereist war, um die neuesten technologischen Errungenschaften der japanischen Industrie zu begutachten, wurde dem »Ständigen Berater der Herausgeberkonferenz« der (Frankfurter Allgemeinen) Zeitung für Deutschland eine anzügliche Frage gestellt: »Und wie steht es mit der deutschen Krankheit?« Der Hintersinn dieser Frage muß den Herrn Doktor Held arg ins Grübeln versetzt haben. Wurde ihm gar die Anzüglichkeit einer solchen Frage noch dadurch unheimlicher, daß derartiges »in der obersten Etage eines neuen Hochhauses« geschah? Wollte man ihm etwa bedeuten, daß er sich doch lieber gleich...


Vom Getriebe der Kommunikationsmittel

 Jedenfalls hat ihm die höflich-schadenfrohe Diagnose keine Ruhe gelassen: In der FAZ vom 5. Mai behelligt er Westdeutschlands »Bourgeoisie« und andere Leser, deren »ständiger Berater« er ja kraft Stellenbeschreibung auch noch ist, mit eben dem diagnostischen Raunen, daß er im Lande der weitest fortgeschrittenen industriellen Tüchtigkeit vernehmen mußte.

 Vernehmen mußte? - Mit Sicherheit hat er keine repräsentative Umfrage durchgeführt. Wohl eher hat er in Japan die Produkte dessen wahrnehmen mussen, was »im Getriebe der Kommunikationsmittel außer Proportion« geraten ist. Darauf deutet ein findiger Hinweis hin: »Die Texte des Bonner Korrespondenten der New York Times zum Beispiel« werden nicht nur in Amerika verbreitet, »sondern, durch die in Hongkong gedruckte International Herald Tribune, auch in Japan.« Richtig. Den Unfug, der oft in diesem von der New York Times und einer immer weniger vertrauenswürdigen Washington Post gemeinsam in Paris herausgegebenen Blatt zu lesen ist, bekommen ja auch Europas Führungskräfte täglich auf den Schreibtisch.


Liegt Japan im Atlantik?

 Kann aber das, was die japanische Führungsschicht zur Ausmalung ihres Bildes von der täglichen Welt an »Informationen« durch die International Herald Tribune erhält, von so großem Belang sein, daß die Medizin bemüht werden muß?
Kann man Informiertheit und Informationsverarbeitung in Japan für realitätsgerecht nehmen, wenn sie sich - zumindest nach der Wiedergabe eines Robert Held - darauf beschränkt, daß »die Japaner den Amerikanern (sic) eben diese Frage stellen: wie zuverlässig sird die Deutschen?«
Von Japanern ist doch erst jüngst deutschen Industriellen und Außenhändlern zu verstehen gegeben worden, daß sie sich ihre Geschäftsaussichten auf japanischen Märkten auch dadurch selbst verschlechtern, daß sie es nur äußerst selten für nötig halten, die Landessprache zu erlernen.
Sollten etwa gerade Japaner, die einen solchen Mangel erkannt haben, den sie umgekehrt bei sich mit Fleiß zu beheben trachten, der Fragen an die Amerikaner (- übrigens doch wohl in Englisch; welcher Amerikaner würde sich wohl herablassen, mit Japanern ihre Sprache zu sprechen, selbst wenn er könnte? -) bedürfen, wie es um die »Zuverlässigkeit« der Deutschen bestellt ist?

 Und schließlich: die Frage nach der »Zuverlässigkeit« der Deutschen reicht, so Robert Held, in ein weites Feld hinein. Mithin kann doch auch für Japaner jene »Zuverlässigkeit« nicht nur auf dem (doch eher etwas eng gesehenen) Feld zu suchen sein, wo »der Wille der Deutschen« erkundet wird, »an der Seite der atlantischen Partner die Freiheit zu verteidigen«.

 Japan ist, so weit unsere geopolitischen Kenntnisse reichen, kein »atlantischer« Partner, - weder der Bundesrepublik Deutschland noch der Vereinigten Staaten von Amerika.
Die geomedizinischen Verknüpfungen des Doktor Held sind allem Anschein nach eher das »unreflektierte« Echo eines Raunens, von »Gesprächen führender Kreise hinter geschlossenen Türen«, wo die Schaltungen für so manches vorgenommen werden, was dann »im Getriebe der Kommunikationsmittel außer Proportion gerät« - und wo mit der »trilateralen« Landkarte vor dem geistigen Auge der »Rang der Bundesrepublik milde, aber wirksam« heruntergeredet wird.


Der Oberbefehlshaber der Reserve und die »deutsche Krankheit«

  Daß der Herr Doktor Held von der FAZ solches Gerede ernst nimmt und meint, er müsse vor allem seinen bürgerlichen und aristokratischen Lesern damit einen heißen Schreck einjagen, könnte sogar für die Bundesregierung und auch für beide sie tragenden Parteien nützlich sein oder werden.

 Dem steht aber entgegen, daß Held gleichzeitig Weiterverbreitung und Verstärkung eines »Mißverständnisses« fördert, das (in the final analysis) darin besteht, die Verlautbarungen des »Oberbefehlshabers der Reserve«, des (-fragt sich wie lange noch-) amtierenden Secretary of State Alexander Haig für das zu nehmen, was die Regierung Reagan will und auf mittlere Sicht wollen kann. So schreibt Held zur »Krankheit« der größeren Regierungspartei:

»Die Bundesregierung mag den festen Willen haben, die feste Verankerung im westlichen Bündnis nicht zu lösen, und sich dabei auf Erklärungen berufen können. Doch das Spektakel der inneren Debatte (- von Helds C.G.-Kollegen bei der FAZ mit Zeilenschinder-Berichten für alle neugierigen Leser ausstaffiert-) in Deutschland (?) - und innerhalb der Regierungspartei - wird aufmerksam beobachtet und ernst genommen, mehr als man es in Bonn wahrhaben will. In der Bundesrepublik fehlt immer noch, und nicht nur bei der Linken in der SPD, das Verständnis dafür, was der Machtwechsel in den Vereinigten Staaten bedeutet. Man sieht nicht, daß das Frankreich Giscard d`Estaings, das Großbritannien Frau Thatchers eben »atlantisch« eindeutiger erscheinen als die alles zerredende Bundesrepublik; man erkennt nicht hinter dem Vertrauen Haigs in Schmidt seine Skepsis gegenüber den Deutschen insgesamt, von viel verächtlicheren Urteilen im Establishment hinter Reagan zu schweigen. Bonner Korrekturen sind nicht ausreichend. Es geht nicht darum, daß wir in jedem Fall tun, was die Amerikaner wollen: aber sie wollen mit Recht wissen, wer da etwas will oder nicht will.«


Symptome einer anderen »Krankheit«

 Spätestens hier, beim allzu gebannten Verweilen auf dem (leider zu oft gezeigten) Spiegelbild des noch lange nicht zivil gewordenen Vier-Sterne-Generals werden Symptome einer Krankheit, doch nicht der wirtschaftlichen, »englischen«, wahrnehmbar. Es handelt sich um Symptome einer Krankheit der deutschen Charakterstruktur nach dem verlorenen Krieg, die sich in erster Beschreibung als Identifikation mit jenen Fähigkeiten des Siegers bezeichnen läßt, auf die man jahrelang im Kampf fast ausschließlich und umsonst das nationale Selbstbild gegründet hatte.


Das Faszinosum »Befehl«

 Über die prekären Daseinsbedingungen deutscher Politik in der Welt nach Hitlers Krieg hat der Verantwortliche für die Außenpolitik der FAZ durchaus kluge Leitartikel geschrieben. Der »mühsame, oft schleppende und manchmal wüste Gang der Deutschen durch die Geschichte«, von dem der Bundeskanzler, Christa Wolf zitierend, zu Eingang seines Berichts zur Lage der Nation sprach, ist auch Herrn Held gegenwärtig. Zeugt es in diesem Betracht dann von Klugheit, deutsche Zuverlässigkeit indirekt mit der »Skepsis« eines Mannes in Frage zu stellen oder stellen zu lassen, über dessen Kenntnis und Treue zur amerikanischen Verfassung Amerikaner und ihre Verbündeten skeptisch geworden sein müssen?

  Kann das »Vertrauen« eines Mannes wie Haig in die deutsche Politik überhaupt zum Maßstab, etwa für deren »Gesundheit«, erhoben werden? Besteht dessen vielgerühmte »Vertrautheit« mit westeuropäischen und insbesondere dem westdeutschen Verbündeten in mehr als der oft porträtierten Fähigkeit, einen Humpen Bier lässig zwischen drittem und viertem Knopf in der Hand zu halten? - Einer Fähigkeit, die für Dr. Helds Kollegen Weinstein offenbar auch ausreichte, in dem NATO-Oberbefehlshaber von damals einen möglichen kommenden Präsidenten der Vereinigten Staaten zu sehen ?

 Können Deutsche, ob in Deutschland-West oder Deutschland-Ost denn auf Urteil, Skepsis, Vertrauen oder »Zuverlässigkeit« eines Mannes bauen, der (always trying to take over - command) einige Zeit vor dem umkämpften NATO-Beschluß vom Dezember 1979 hinter verschlossenen Türen die Auffassung vertreten haben soll, jener von den NATO-Staaten zu verabschiedende Beschluß sei die geeignete Möglichkeit, das zweite Abkommen zu SALT zu umgehen? - Das Abkommen ist von der Carter-Regierung in einer Weise umgangen worden, die der Haig zugeschriebenen Darstellung entspricht, und durch Carters »Rüstungsrede« am selben besagten 12. Dezember 1979 ist auf die möglichen Absichten der amerikanischen Militärpolitik noch mehr unverträgliches Zwielicht gefallen.


Deutschland und »Amerika«

 Ist im Zwielicht so mancher Vorgänge, in denen der Oberbefehlshaber der Reserve früher wie heute eine Rolle spielt, für Deutsche und alle betroffenen Europäer im Gebiet vor dem Ural nicht die Beantwortung der Frage dringlich, was die Amerikaner, und nicht Mr. Haig, wollen?

 Haben die Europäer, die Deutschen nicht ein Recht darauf, öffentlich, und nicht bloß durch Kolportage von Geraune hinter verschlossenen Türen, über die Bestrebungen des amerikanischen Volkes unterrichtet zu werden? - Über die schweren Probleme, vor denen die US-amerikanische Wirtschaft und Gesellschaft stehen, erfährt man jedoch hierzulande nur das, was die amerikanischen Medien bereits zerredet und in eine für Europa bestimmte »Sprachregelung« aufbereitet haben.

 Und über diese Beobachtung hinaus: anders als in den Vereinigten Staaten, zumindest im dortigen Getriebe der Kommunikationsmittel und dem Schmierstoff Politik, mit dem die kapitalistische Massenkultur sich und ihren Konsumenten das Vorhandensein eines Gemeinwesens suggeriert, anders (gottlob) als dort wird in der Bundesrepublik die Frage gestellt und bedacht, wie zur Lösung der Lebensaufgaben, die sich der Weltgemeinschaft der Nationen stellen, die Deutschen im Westen unseres Landes einen selbstbewußten Willen bilden können. Im letzten August, als sich in Polen auch die Nation reckte, konnten wir in der ZEIT lesen:

»Ja, wir Deutschen haben sehr viel über den Staat nachgedacht, wir waren auf diesem Gebiet nicht faul, wenngleich wir wahrscheinlich nichts besonders Herausragendes zustande gebracht haben. Eine meiner Lieblingsideen ist, wenn ich mal aus dem Amt bin, ein großes Buch zu schreiben, ein schwieriges Buch, das sich beschäftigen soll mit der Frage »Was ist eigentlich die geschichtliche Funktion, was ist eigentlich die in die Zukunft weisende Aufgabe dieses westdeutschen Staates, der doch nur ein Teil der deutschen Nation ist, was ist die Zukunftsaufgabe dieses deutschen Teilstaates?

Das mochte ich gern projizieren auf einen doppelten Hintergrund durch das ganze Buch hindurch. Ich möchte es einerseits projizieren auf die staatsdenkerischen Einflüsse, welche im Laufe der Jahrhunderte und bis in die Gegenwart hinein und extrapoliert in die Zukunft die Vorstellung der Deutschen vom Staat beeinflussen. Einige habe ich vorhin genannt, andere nicht, die müßte ich hier auch noch nennen: Ich müßte Lassalle nennen, ich müßte ßismarck nennen; man müßte die Naturrechtsphilosophie, auch das katholische Naturrecht, das die Deutschen beeinflußt hat, genauso wie das Völkerrecht nennen - aber eben auch Hegel.

Und der andere Hintergrund, auf den ich das projizieren möchte, ist das, was ich in der deutschen Gegenwartsgeschichte, Gegenwartspolitik selbst miterlebt habe, also seit Beginn des Krieges, seit ich erwachsen wurde. Das ist eine Lieblingsidee, die ich seit einer Reihe von Jahren hege, da mache ich auch ab und zu die eine oder andere Notiz und stecke sie in einen bestimmten großen Kasten.

Aber natürlich braucht so ein Buch dann eine Reihe von Jahren Arbeit. Da wird dann vielleicht im großen und ganzen Günter Grass befriedigt sein, nachträglich festzustellen, wenn er das Buch in die Hand bekommt, daß dieser gegenwärtige Bundeskanzler eine ganze Menge nachgedacht hat über Nation und über die Aufrechterhaltung der Nation. Da wird vielleicht Herr Raddatz ganz befriedigt sein, weil da mehr theoretische Erkenntnis zutage gefördert werden wird, als er sie gegenwärtig mir zuzutrauen, zuzugeben bereit ist.« (Helmut Schmidt)


Welches Amerika?

 Solange das Nachdenken über den geschichtlichen Sinn des staatlichen Zusammenlebens der Deutschen in Westen in die oben umrissene Richtung weist, sind die Voraussetzungen für einen selbstbewußten Willen und seine Verwirklichung im Bündnis nach gegeben. Doch weder Deutsche noch Europäer können auf die Fertigstellung des Buches warten. Die Antwort auf die Frage, was »die« Amerikaner im Unterschied zu der in den Vereinigten Staaten herrschenden Oligarchie wollen, ist zu einer auf die Frage nach der künftigen Möglichkeit unserer Existenz und der von hunderten Millionen unserer Gattung auf der Erde geworden. (Sogar der westdeutsche Außenminister will es jetzt wissen.)

  Eines ist sicher: der Oberbefehlshaber der Reserve weiß weder eine Antwort, könnte zudem keine glaubwürdige geben - und ist in keinem Betracht die Verkörperung der Antworten Amerikas auf seine eigenen Krisen und die mit seinen Verbündeten. »Al« Haig und die ideologisch-strategische Weise des Funktionierens, die er sich, seinem Mentor H.A.L. Kissinger folgend, anverwandelt hat, repräsentiert nicht das Amerika (Eisenhowers), mit dem die Bundesrepublik Deutschland dereinst verbündet und damit souverän zu werden hoffte.

Folgen für die Funktion in der internationalen Politik

 Wenn diese Behauptung zutrifft (- und nur die »Krankheit« selektiver atlantischer Wahrnehmung der Weltwirklichkeit vermag diese Einsicht zu verdrängen -), dann müssen die Verantwortlichen in der hiesigen Regierung (und auch verantwortungsbewußte Akteure auf und zu der Linken der SPD) über einige heute auf den Nägeln brennende Fragen nachzudenken beginnen, und zwar als Bündnis-Partner, deren Intelligenz, aus der Rat ebenso wie Widerspruch und Widerstand hervorgehen kann, genauso für die Zukunft der westlichen Welt gebraucht wird wie ein Amerika, das sich aus den Verblendungen des kalten Krieges herausarbeitet.


Die Schwächung des Bündnisses geht von New York aus

 Zu welchen (vorläufigen) Ergebnissen ein solches Nachdenken führen kann, bezeugten Äußerungen des stellvertretenden Sprechers der Bundesregierung, Lothar Rühl, bei der 18. sog. Wehrkundetagung im Februar in München, wo der frühere Korrespondent (bei) der NATO in Brüssel eingangs alle Vorstellungen von einer Intervention europäischer Streitkräfte außerhalb der NATO-Grenzen eindeutig zurückwies und des weiteren ausführte:

»Westeuropa hat nicht mehr die Mittel, um die >Schatzhäuser< der Welt zu kontrollieren.« Der Einsicht zufolge, daß das Zeitalter des Kolonialismus vorüber sei, müßten in der Kooperation andere Wege gesucht werden. Und, zum entscheidenden Unterschied zwischen den USA und Europa kommend, führte er aus: »Was (der stellvertretende US-Verteidigungsminister) Carlucci gesagt hat, die Medizin schmecke auf beiden Seiten des Atlantik gleich bitter, das stimmt so nicht. Europa steht unter einem ungleich größeren Druck der Umorientierung und der Abhängigkeit vom Weltmarkt als die USA mit ihrem größeren Binnenmarkt.«

 Rühls Darlegung zufolge ist eine der größten Gefährdungen europäischer Sicherheit in der Währungspolitik der USA selber zu suchen. Diese Politik resultiere in »immer größeren spekulativen Geldmengen, die in den amerikanischen Dollar hinübergehen, weg aus Europa wegen der größeren Zinsgewinne in den USA... Sollte dieses Zinsgefälle anhalten oder gar sich noch weiter verstärken, so müssen sie, die Amerikaner, damit rechnen, daß die D-Mark und der Franken Einbrüche erleiden werden, ...daß aus der Geldflucht eine Kapitalflucht wird und daß dann den westeuropäischen Volkswirtschaften genau jene Mittel fehlen werden, welche die Voraussetzung sind für eine erneute Ausweitung unserer Anstrengungen... In diesem Zusammenhang können wir uns die wohlgefälligen Anmerkungen über die Leistungsschwäche der östlichen Volkswirtschaften schenken. ...Es besteht keine Gleichheit der Empfindlichkeit zwischen den USA und Europa... Sie (die Amerikaner) können eine Politik betreiben in der >splendid isolation< von wirtschaftlichen Schwankungen - wir nicht.«

 Könnten derartige Feststellungen, die sich durchaus nur auf den »atlantisch« verengten Rahmen der ökonomisch-militärischen Leistungsfähigkeit der europäischen NATO-Staaten beziehen (- die sich aber im Bericht des FAZ-Beobachters bei der Tagung nicht wiedergegeben fanden-), den »ständigen Berater der Herausgeberkonferenz« einmal dazu veranlassen, seine diagnostischen Werkzeuge anderswohin zu richten? Nämlich auf Entstehungsgrund und Herkunft eines Krebsgeschwürs, das auch die lange wirtschaftlich stabil gebliebene Bundesrepublik angefressen hat? In seinem Entstehungsland wird es mit dem Namen Paul Volcker personifiziert, eines alten, in finanz- und wirtschaftspolitischen Attacken gegen Westeuropa erprobten Haudegens unter den geschickten Fechtern auf dem Paukboden der internationalen (Geld-)Kapitalinteressen.

Politische wirtschaftliche und publizistische Autorität

 Robert Held nimmt, wie es scheint, mit Mißmut nichts anderes als das undeutlich werdende Bild des Bundeskanzlers wahr. Er hat vielerorts »Neugier, wenn Autorität zerfällt«, beobachtet, und beteiligt sich, gewollt oder nicht, an der Verstärkung jener Bestandteile solcher Neugier, die offenkundig nicht in die von deutscher Politik angestrebte Richtung weisen. Oder ist ihm beim Schreiben seines Krankenblattes nicht bewußt, daß »ständige Beratung« zur Außenpolitik der FAZ im Getriebe der Kommunikationsmittel den Stoff für »Geraune« und »verächtliche Urteile im Establishment« hervorbringt, für die Leser »hinter den verschlossenen Türen« von Englewood Cliffs, NJ, aus versendet und schließlich, wiederaufgearbeitet, zum Gegenstand der Beratung der Herausgeber macht.


Symptome der Beratung

  Die Symptome einer »deutschen Krankheit«, wenn sie sich denn schon nicht mehr fernhalten lassen, sind allerdings nicht allein diejenigen, die sich, von SPD und FDP ausgehend, in eine Minderung von Autorität und Handlungsfähigkeit der Bundesrepublik im weiten Feld der inneren und äußeren Politik umsetzen. Sie sind vermutlich mehr noch ein Ergebnis der mangelhaften Beratung, die der westdeutschen »Bourgeoisie« hinsichtlich des nationalen Interesses des Gemeinwesens Bundesrepublik auf vielen Feldern auch durch die Außenpolitik der FAZ zuteil wird. Denn: was müßte von Lesern dieser Zeitung, die sich (mindestens zu ihrem überwiegenden Teil - darauf beruht ihr Verkaufserfolg) zu einer Führungselite zählen, wie sie mit dem entsprechenden Selbstverständnis vom neugewählten Präsidenten des BDI gewünscht wird, an Ratschlägen zu Veränderung und Verbesserung der Lage erwogen und gegeben werden, wie sie Held beschreibt?

 »Die Bundesrepublik hat unter der Führung Schmidts bewußt im politischen Bereich ein möglichst >niedriges Profil< beibehalten; sie hat dennoch mit wirtschaftlichen Mitteln eine eigene Machtpolitik betrieben. Im Augenblick, da sie nicht mehr die Kraft hat, diese finanziell fundierte Politik fortzusetzen, wird das Ansehen vermindert - mag sie sich auch noch so vorsichtig im Sinne des niedrigeren Profils verhalten haben. Die vorhandenen Schwächen (Mangel an Souveränität, begrenzte Handlungsfreiheit, Erpreßbarkeit der Bundesrepublik) werden stärker hervorgehoben.«

 Und was rät der Verfasser hierauf der politischen Führung der Bundesrepublik? Den Unternehmensleitungen? Den Herausgebern der Zeitung für (das bürgerliche) Deutschland, für deren Außenpolitik der verantwortlich ist? Was rät also das »Organ der westdeutschen Bourgeoisie« seinen Lesern, seinen Feinden? - Nichts.

 Stattdessen schreibt Herr Doktor Held einen Leitartikel über und für die Neugier darauf, was passiert, wenn die Autorität der sozial-demokratisch geführten Bundesregierung zu zerfallen droht.


Mißverständnisse und Mißverhältnisse

 In einem kann man dem Dr. Held zustimmen: »Sollte es sich bei den Symptomen in Bonn bloß um Mißverständnisse handeln, so wäre schleunigst dafür zu sorgen, daß sie nicht noch weitere Mißverständnisse zeitigen. Aber es sind wohl nicht nur Mißverständnisse.« Durchaus nicht! Doch was Herr Held ebenso wie seine Maßstabsperson für »Vertrauen in Helmut Schmidt« immer noch mißzuverstehen scheinen und was zumal für einen Deutschen heute und in der absehbaren Zukunft als ernstes Krankheitssymptom gelten muß, ist die von sozialdemokratischen und anderen Sprechern gesellschaftlicher Kräfte und Bewegungen nur undeutlich und selten zielstrebig artikulierte Erfahrung eines »double bind«.

 Darin nämlich befindet sich die Bundesrepublik (- übrigens auch die Deutsche Demokratische Republik -) seit ihrer Gründung. Die Bedrohung (heute) durch die sowjetischen SS-20 steht einer souveränen Wahrnehmung deutscher Interessen genauso entgegen wie die Androhung der Verteidigung des westdeutschen Territoriums durch amerikanische Kernwaffen seit den fünfziger Jahren, die (ungeachtet aller heute möglichen Bilanzierung mit Sprengköpfen) der sowjetischen Aufrüstung mit Kernwaffen vorangegangen ist. Seit der massiven »Gegenrüstung« der Sowjetunion gegen alle Staaten, die sie als tatsächlich oder potentiell der NATO angehörige ansieht, hat sich die Angriffs- wie die Verteidigungsdrohung mit der Vernichtung der Bundesrepublik zu einer de tous azimuts ausgeweitet. Der NATO-Doppelbeschluß, weit entfernt davon, in seinem militärischen Teil mehr Sicherheit zu schaffen, hat die »Bedrohungsfalle« für die Bundesrepublik nur noch verstärkt.


Eine bürgerliche Presse - über den Blick in alle Himmelsrichtungen erhaben

 trägt, wie die FAZ, zur Aufklärung der Öffentlichkeit über diesen »militärischen Faktor« des deutschen Elends nichts bei. Sie vermittelt auch kein Verständnis der Fesseln und Zwänge, die der politischen Führung der Bundesrepublik (- und keineswegs nur einer solchen mit sozialdemokratischen Zielvorstellungen -) ein »niedriges Profil« gegenüber beiden Großmächten gebietet und es ihr trotzdem und alledem zur energisch zu erfüllenden Pflicht macht, aus ihren eigenen Anstrengungen heraus drohende Konfrontationen zwischen den beiden Kernwaffen-Übermächten zu verhüten. Von Ratschlägen zur Lösung solcher ständigen Aufgaben hat man in der FAZ bisher nichts gelesen. Da wird das bürgerliche Deutschland überhaupt nicht beraten.


Was eine allgemeine Bewegung für den Frieden würde

 - käme nur dann zustande, wenn ein Robert Held und die bürgerliche Publizistik in der Bundesrepublik allgemein, das heißt, diejenigen, die für die Meinung der Öffentlichkeit (und ihre vollständige Information) in lebenswichtigen Fragen die Verantwortung tragen müssen, ihre eigenen Mißverständnisse von NATO, »atlantischer Partnerschaft« und lebenswichtigen deutschen und europäischen Interessen mit einiger Gedankenarbeit aufzuklären beginnen und sie schließlich überwänden.

 Nur dann besteht eine Aussicht darauf, im »Getriebe der Massenkommunikationsmittel«, wo er sich mit allen Symptomen bereits gezeigt hat, den Zerfall der Autorität politischer Führung noch zu verhindern:

 Nämlich vor allem im Verhältnis derer, die oft mit unzureichenden Kenntnissen und der irrationalen Bereitschaft sowohl zu vorschneller Schuldzuweisung wie hysterischer Konsequenz im Handeln ihre Zweifel an der Möglichkeit der Erhaltung des Friedens in Europa ausdrücken, zu jenen, deren vom Gemeinwesen verliehene Autorität nur dann gefestigt und von Dauer bleiben kann, wenn sie in einer vernünftigen Öffentlichkeit fähig sind, in allen Aufgeschreckten das Gefühl und die Gewißheit erzeugen und bewahren zu können, daß die verantwortliche Führung der Bundesrepublik Deutschland alle ihre Möglichkeiten wahrnehmen kann, um vom deutschen Volk Schaden abzuwenden.


Eine Emanzipation

 Zur gemeinschaftlichen Arbeit an dieser Aufgabe, die nichts anderes ist als die alte Aufgabe der »Emanzipation des Deutschen« ist, vermochte eine Zeitung für Deutschland wie die Frankfurter Allgemeine bislang nur wenig mehr als intelligente und elegante Kolportage journalistischer Neugier beizutragen. Aber auch um die deutsche Zukunft besorgten bürgerlichen Lesern müßte, wenn alles mit rechten Dingen zugeht, an der Beratung durch die FAZ etwas fehlen, was einst ein Mitherausgeber dieser Zeitung von sich selbst verlangte:

»Der wahre Leitartikel, der Kommentar, der die Routine durchbricht, der die Vorhänge zerreißt, lebt nicht von den artifiziellen Fertigkeiten und nicht bloß aus Erfahrungen mit den öffentlichen Angelegenheiten, er braucht die volle Leidenschaft, den Mut vor den Bedrückern, den Widerwillen gegen das Unrecht.«

  - -  - Es sind schon viele Jahre ins Land gegangen, seit die Herrschaften von der FAZ einen solchen Geist aus ihrer alltäglichen Arbeit verdrängten.

 Eins ist sicher: der Jürgen Tern hatte die deutsche Krankheit nicht!

 


 In der Mitte der vergangenen Woche ist in Rom die halbjährliche Tagung der NATO zu Ende gegangen - mit einem Kommunique, in dem die Bundesregierung, wie verlautet, >ihre Handschrift wiedererkennt.<
Andere mögen sich fragen, ob man im Hergang dieser Tagung Ziel und Absicht eines anderen Kommuniques wiederfinden kann, nämlich dem vom 12. Dezember 1979; insbesondere dann, wenn als Erfolg des »Brückenbau«-Versuches von Außenminister Genscher schon gewertet wird, daß Hr. Haig die im wesentlichen grundsätzliche Bereitschaft zum Eintritt in Gespräche über den Beginn von Verhandlungen über die Möglichkeit von Rüstungsbegrenzungen unter den Bedingungen guter Führung auf Seiten der Sowjetunion »bekundet« hat.

 Vielleicht ist es nützlich, auch für die leidenschaftlichen Gegner des Doppelbeschlusses aus Baden-Württemberg und anderswoher, das Gedächtnis ein wenig aufzufrischen und, möglicherweise zum ersten Mal, ihnen den vollen Wortlaut zugänglich zu machen. DH



Dokumentation: NATO

 Kommunique über eine Sondersitzung der Aussen- und Verteidigungsminister der an der integrierten Verteidigungsstruktur beteiligten Mitgliedstaaten des Nordatlantikpakts in Brüssel am 12. Dezember 1979

1. Die Außen- und Verteidigungsminister trafen am 12. Dezember 1979 in Brüssel zu einer Sondersitzung zusammen.
2. Die Minister verwiesen auf das Gipfeltreffen vom Mai 1978, bei dem die Regierungen ihre politische Entschlossenheit zum Ausdruck brachten, der Herausforderung zu begegnen, die der fortdauernde intensive militärische Aufwuchs auf seiten des Warschauer Paktes für ihre Sicherheit darstellt.
3. Im Laufe der Jahre hat der Warschauer Pakt ein großes und ständig weiterwachsendes Potential von Nuklearsystemen entwickelt, das Westeuropa unmittelbar bedroht und eine strategische Bedeutung für das Bündnis in Europa hat. Diese Lage hat sich innerhalb der letzten Jahre in besonderem Maße durch die sowjetischen Entscheidunqen verschärft, Programme zur substantiellen Modernisierung und Verstärkung ihrer weitreichenden Nuklearsysteme durchzuführen. Insbesondere hat die Sowjetunion die SS-20-Rakete disloziert, die durch größere Treffgenauigkeit, Beweglichkeit und Reichweite sowie durch die Ausrüstung mit Mehrfachsprengköpfen eine bedeutende Vertesserung gegenüber früheren Systemen darstellt, und sie hat den >Backfire<-Bomber eingeführt, der wesentlich leistungsfähiger ist als andere sowjetische Flugzeuge, die bisher für kontinentalstrategische Aufgaben vorgesehen waren. Während die Sowjetunion in diesem Zeitraum ihre Überlegenheit bei den nuklearen Mittelstreckensystemen ( LRTNF) sowohl qualitativ als auch quantitativ ausgebaut hat, ist das entsprechende Potential des Westens auf demselben Stand geblieben. Darüber hinaus veralten diese westlichen Systeme, werden zunehmend verwundbarer und umfassen zudem keine landgestützten LRTNF-Raketensysteme.
4. Gleichzeitig hat die Sowjetunion auch ihre Nuklearsysteme kürzerer Reichweite modernisiert und vermehrt und die Qualität ihrer konventionellen Streitkräfte insgesamt bedeutend verbessert. Diese Entwicklungen fanden vor dem Hintergrund des wachsenden Potentials der Sowjetunion im interkontinental-strategischen Bereich und der Herstellung der Parität mit den Vereinigten Staaten auf diesem Gebiet statt.
5. Diese Entwicklungen haben im Bündnis ernste Besorgnis hervorgerufen, da - falls sie fortdauern sollten - die sowjetische Überlegenheit bei den Mittelstreckenwaffen die bei den interkontinentalen strategischen Systemen erzielt Stabilität aushöhlen könnte. Durch diese Entwicklung könnte auch die Glaubwürdigkeit der Abschreckunsstrategie des Bündnisses dadurch in Zweifel gezogen werden, daß die Lücke im Spektrum der dem Bündnis zur Verfügung stehenden nuklearen Reaktionen auf eine Aggression akzentuiert würde.
6. Die Minister haben daher beschlossen, das LRTNF-Potential der NATO durch die Dislozierung von amerikanischen bodengestützten Systemen in Europa zu modernisieren. Diese Systeme umfassen 108 Abschußvorrichtungen für Pershing II, welche die derzeitigen amerikanischen Pershing la ersetzen werden, und 464 bodengestützte Marschflugkörper (GCLM). Sämtliche Systeme sind jeweils nur mit einem Gefechtskopf ausgestattet. Alle Staaten, die zur Zeit an der integrierten Verteidigungsstruktur beteiligt sind, werden an ciesem Programm teilnehmen. Die Raketen werden in ausgewählten Ländern stationiert, und bestimmte Nebenkosten werden im Rahmen von bestehenden Finanzierungsvereinbarungen der NATO gemeinsam getragen werden. Das Programm wird die Bedeutung nuklearer Waffen für die NATO nicht erhöhen. In diesem Zusammenhang kamen die Minister überein, daß als integraler Bestandteil der TNF-Modernisierung so bald wie möglich 1000 amerikanische nukleare Gefechtsköpfe aus Europa abgezogen werden. Weiterhin beschlossen die Minister, daß die 572 LRTNF-Gefechtsköpfe innerhalb eines verminderten Bestands untergebracht werden sollten. Dies impliziert notwendigerweise eine Gewichtsverlagerung mit der Folge, daß die Zahl der Gefechtsköpfe von Trägersystemen anderer Typen und kürzerer Reichweite abnimmt. Zusätzlich haben die Minister mit Befriedigung zur Kenntnis genommen, daß die Nukleare Planungsgruppe (NPG) eine genaue Untersuchung vornimmt über Art, Umfang und Grundlage der sich aus der LRTNF-Dislozierung ergebenden Anpassungen und ihrer möglichen Auswirkungen auf die Ausgewogenheit von Aufgaben und Systemen im gesamten nuklearen Arsenal der NATO. Diese Untersuchung wird Grundlage eines substantiellen Berichts an die Minister der NPG im Herbst 1980 sein.


Der andere Teil des >Doppelbeschlusses<

 
8. Die Minister messen der Rüstungskontrolle als Beitrag zu einem stabileren militäriscnen Kräfteverhältnis zwischen Ost und West und zur Förderung des Entspannungsprozesses eine große Bedeutung bei. Dies spiegelt sich wider in einem breitangelegten Spektrum von Initiativen, die im Bündnis geprüft werden mit dem Ziel, die Weiterentwicklung von Rüstungskontrolle und Entspannung in den achtziger Jahren zu fördern. Die Minister betrachten die Rüstungskontrolle als integralen Bestandteil der Bemühungen des Bündnisses, die unverminderte Sicherheit seiner Mitgliedstaaten zu gewährleisten und die strategische Lage zwischen Ost und West auf einem beiderseits niedrigeren Rüstungsniveau stabiler, vorhersehbarer und beherrschbarer zu gestalten. In dieser Hinsicht begrüssen sie den Beitrag, den der SALT-II-Vertrag zur Erreichung dieser Ziele leistet.
9. Die Minister sind der Auffassung, daß auf der Grundlage des mit SALT II Erreichten und unter Berücksichtigung der die NATQ beunruhigenden Vergrößerung des sowjetischen LRTNF-Potentials nun auch bestimmte amerikanische und sowjetische LHTNF in die Bemühungen einbezogen werden sollten, durch Rüstungskontrolle ein stabileres umfassendes Gleichgewicht bei geringeren Beständen an Nuklearwaffen auf beiden Seiten zu erzielen. Dies würde frühere westliche Vorschläge und die erst kürzlich geäußerte Bereitschaft des sowjetischen Staatspräsidenten Breshnjew aufnehmen, solche sowjetischen und amerikanischen Systeme in Rüstungskontrollverhandlungen einzubeziehen. Die Minister unterstützen voll die als Ergebnis von Beratungen im Bündnis getroffene Entscheidung der Vereinigten Staaten, über Begrenzungen der LRTNF zu verhandeln und der Sowjetunion vorzuschlagen, so bald wie möglich Verhandlungen auf der Grundlage der folgenden Leitlinien aufzunehmen, die das Ergebnis intensiver Konsultationen innerhalb des Bündnisses sind

A) Jede künftige Begrenzung amerikanischer Systeme, die in erster Linie für den Einsatz als TNF bestimmt sind, soll von einer entsprechenden Begrenzung sowjet1scher TNF begleitet sein.
b) Über Begrenzungen von amerikanischen und sowjetischen LRTNF soll Schritt für Schritt bilateral im Rahmen von SALT III verhandelt werden.
c) Das unmittelbare Ziel dieser Verhandlungen soll die Vereinbarung von Begrenzungen für amerikanische und sowjetische landgestutzte LRTNF-Raketensysteme sein.
d) Jede vereinbarte Begrenzung dieser Systeme muß mit dem Grundsatz der Gleichheit zwischen beiden Seiten vereinbar sein. Die Begrenzungen sollen daher in einer Form vereinbart werden, die de jure Gleichheit sowohl für die Obergrenzen als auch für die daraus resultierenden Rechte festlegt.
e) Jede vereinbarte Begrenzung muß angemessen verifizierbar sein.

10. Angesichts der besonderen Bedeutung dieser Verhandlungen für die Sicherheit des Bündnisses insgesamt wird zur Unterstützung der amerikanischen Verhandlungsbemühungen ein besonderes, hochrangiges Konsultationsgremium innerhalb des Bündnisses gebildet. Dieses Gremium wird die Verhandlungen kontinuierlich begleiten und den Außen- und Verteidigungsministern berichten. Die Minister werden die Entwicklung dieser und anderer Rüstungskontrollverhandlungen bei ihren halbjährlichen Konferenzen bewerten.
11. Die Minister haben sich zu diesen beiden parallel laufenden und komplementären Vorgehensweisen entschlossen, um einen durch den sowjetischen TNF-Aufwuchs verursachten Rüstungswettlauf in Europa abzuwenden, dabei jedoch die Funktionsfähigkeit der Abschreckungs- und Verteidigungsstrategie der NATO weiterhin zu erhalten und damit die Sicherheit ihrer Mitgliedstaaten weiterhin zu gewährleisten.

a) Ein Modernisierungsbeschluß, einschließlich einer verbindlichen Festlegung auf Dislozierungen ist erforderlich, um den Abschreckungs-und Verteidigungshedürfnissen der NATO gerecht zu werden, um in glaubwürdiger Weise auf die einseitigen TNF-Dislozierungen der Sowjetunion zu reagieren und um das Fundament für ernsthafte Verhandlungen über TNF zu schaffen.
b) Erfolgreiche Rüstungskontrolle, die den sowjetischen Aufwuchs begrenzt, kann die Sicherheit des Bündnisses stärken, den Umfang des TNF-Bedarfs der NATO beeinflussen und im Einklang mit der grundlegenden NATO-Politik von Abschreckung, Verteidigung und Entspannung - wie sie im Harmel-Bericht niedergelegt wurde - Stabilität und Entspannung in Europa fördern. Der TNF-Bedarf der NATO wird im Licht konkreter Verhandlungsergebnisse geprüft werden.

Quelle: BULLETIN, Presse- und Informationsamt der Bundesregierung


Eine Anmerkung für die SPD-Grundwertekommission und den Vorsitzenden der SPD:

 Alle diejenigen, die es dazu drängt, den Parteitagsbeschluss von 1979. den Nato-Doppelbeschluß und schließlich damit auch die Regierung Schmidt zu kippen, sollten sich, die Richtlinien für Verhandlungen noch einmal gründlich durchlesen - und sich dann die frage stellen, ob nicht bestimmte Kreise der heute amtierenden US-Regierung (- und gewiß nicht der Präsident selber -) daran interessiert sein könnten, daß durch Ereignisse und Entwicklungen, die von der Bundesrepublik oder anderen westeuropäischen Regierungen zu vertreten sind, die Gültigkeit der Verpflichtung seitens der Vereinigten Staaten entfällt, über Rüstungsbegrenzungen wirklich zu verhandeln.

 Wenn die Taktik sozialdemokratischer Landesverbände eine Richtung elnschlagen würde wie in Aalen geschehen, werden Leute wie Richard Pipes künftig auf die energische Mitwirkung auch und gerade eines in jeder Hinsicht intransigenten Erhard Eppler bauen können. Eine solche Feststellung fällt keinem (- schon gar nicht einem linken -) Sozialdemokraten leicht. DH.