Studienbanner_kleinStudien von Zeitfragen
35. Jahrgang InternetAusgabe 2001
SvZ-Archiv
Global
Weltmacht
Deutschland
Archiv / Suche
Impressum

Studien von Zeitfragen

 

Peter G. Spengler:

Vorbemerkung

zu Paul Lüths „Bürger und Partisan“

 Die hier wiedergegebene Schrift von Paul Lüth läßt sich durchaus als „Gründungsdokument“ der Studien von Zeitfragen ansehen. Sie ist zugleich Muster für eine solche Studie einer Zeitfrage, eine Propagandaschrift auf einem Höhepunkt des kalten Krieges, aber auch eine Analyse des Wesens der Propaganda in der „Welt ohne Grenzen“, von der Lorenz Jäger in seiner „politischen Biographie“ Adornos den Abspann so zusammenfaßt: „Die Tausch- und Geldabstraktion wurde zur Ideologie der entsymbolisierten Welt, der Universalität ohne Kultur.“

 Lüths Schrift konnte - ein Jahr vor Einführung dieses neuen Mediums in Deutschland - noch nicht das Fernsehen als Mittel der Propaganda behandeln. Noch weniger konnte er voraussehen, wie dieses Medium sich zur hochfrequenten Schnittmenge zwischen Kulturindustrie und Propaganda auswachsen würde, zu einem Fluchtpunkt der Weltwahrnehmung, in dem die Masse Manager und Techniker des Mediums auf Dutzenden Kanälen ihre „Welt als Wille und Vorstellung“ in Bildern und Wellen propagiert - fortzeugt.

 Vorweggenommen hat diesen Perzeptionszustand der„Welt ohne Grenzen“ dagegen Walter Lippmann, dreißig Jahre vor Einführung des Massenmediums Fernsehen in Deutschland. Seine Bestimmung der öffentlichen Meinung in „Public Opinion“ (1922) lautet so:

„Öffentliche Meinung behandelt indirekte, unsichtbare und rätselhafte Tatsachen; nichts daran ist offensichtlich. Die Situationen, auf die sich öffentliche Meinung bezieht, werden nur erkenntlich als Meinungen; Bilder in den Köpfen der Menschen, Bilder von sich selbst, von anderen, von ihren Bedürfnissen, Zwecken und Verhältnissen sind ihre öffentlichen Meinungen. Diese Bilder, aufgrund derer Gruppen oder Individuen in deren Namen handeln, das ist ÖFFENTLICHE MEINUNG in Großbuchstaben. Das Bild im Kopf führt die Menschen in ihrem Umgang mit der Welt außerhalb ihres Kopfes oft in die Irre.“

 Falsch wäre es, diese Welt im Zustand ihrer grenzenlos wirksamen Perzeption als bloßen Schein zu bestimmen. Die Weltwahrnehmung zum Beispiel am 11. September und seit dem 11. September 2001 ist wirklich und vom Dasein der Rezipienten und Perzipienten verschlungen.

 
Aus der Erkenntnis des Parmenides, die ihm die Göttin Dike, „die den wissenden Mann in alle Städte trägt“, zuteil werden ließ, gibt es kein Entrinnen:

»So gehört es sich, daß du alles erfährst: einerseits das unerschütterliche Herz der wirklich überzeugenden Wahrheit, andererseits die Meinungen der Sterblichen, denen keine wahre Verläßlichkeit innewohnt. Gleichwohl wirst du auch hinsichtlich dieser Meinungen verstehen lernen, daß das Gemeinte gültig sein muß, insofern es allgemein ist.«